Schweizer Auffangstation für geschundene Esel

Der Samichlaus hat hier Hausverbot

 

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In einem Heim am Zürichsee geniessen geschundene Esel Ruhe und Geborgenheit. Zu Besuch im wahrscheinlich entspanntesten Pflegeheim der Schweiz. (Bericht von Jonas Dreyfuss, Redaktor Gesellschaft, Blick)

Edina steht auf wackeligen Beinen. Die 30-jährige Eselin konnte vor zwei Monaten plötzlich nicht mehr aufstehen. Deshalb hing sie eine Zeit lang in einem Netz von der Decke des Stalls.

Wie eine Kuh bei einem Helikopter-Transport. Jetzt geht es wieder einigermassen mit Laufen. Doch weil Esel keine Artgenossen akzeptieren, die gesundheitlich angeschlagen sind, hat das Tier einen Einzelplatz vor dem Stall gekriegt. Dort zerkaut es gerade in Zeitlupentempo einen Apfel.

Im Eselheim Aline in Feldbach ZH dürfen Esel, die niemand mehr wollte, ein schönes Leben geniessen. Fast alle der 39 Tiere, die das im Moment tun, haben einen langen Leidensweg hinter sich. Ihre ehemaligen Halter haben sie falsch ernährt, vernachlässigt und vereinsamen lassen. Edina habe starke Schmerzen beim Auftreten gehabt, als sie ins Heim kam, sagt Viktor Huber (73). Er betreibt es seit zwanzig Jahren mit seiner Frau Hanni (74). Die weichen und feuchten Böden in der Schweiz bereiten den Hufen von Eseln grosse Probleme. Denn ihre Wildformen stammen aus Halbwüsten und Bergregionen Nordafrikas und Vorderasiens.

Mietanfragen für Esel werden strikt abgelehnt

«Davon halte ich gar nichts», sagt Huber. Denn für das Tier seien Menschenansammlungen – auch wenn sie aus Kinder bestünden – ein grosser Stress. Zudem hätten die meisten Kläuse keine Ahnung davon, wie sie mit einem Esel umgehen müssen. «Wir haben jedes Jahr Mietanfragen, die wir alle ablehnen.»

Die Heimbewohner scheinen das Leben ohne Leistungsdruck zu geniessen. Sie stehen mit dem für Esel typischen «Gesichtsausdruck» im grossen Aussengehege herum wie jemand, der gerade aufgewacht ist. Nur einmal unterbricht der Ruf eines Tiers die Gemütlichkeit, den dann alle anderen wiederholen. Das klingt wie eine knarrende Holztür: «Iah, iah, iah.»

Die Hubers hatten vor rund zwanzig Jahren die Idee, eine Auffangstation für Esel zu errichten. Sie finanziert sich mit Patenschaften und Spenden. «Mehr schlecht als recht», sagt Huber. Unterhalt und Pflege kosten pro Tier jährlich rund 3500 Franken. Jeder Esel, der neu in die Auffangstation kommt, wird im Tierspital Zürich einem Gesundheitscheck unterzogen.

Wenn Tiere aus Trauer nicht mehr fressen

Rund 100 Tiere waren das seit der Gründung des Heims. Viele wären eingeschläfert worden, wenn sie hier keinen Platz gefunden hätten. Nicht, weil sie alt gewesen seien, sagt Huber, sondern weil sie stark vernachlässigt worden seien. Das Heim könnte noch viel mehr Tiere aufnehmen, wenn der Platz nicht begrenzt wäre. Seit sieben Jahren hat der Eselbestand in der Schweiz um ein Drittel zugenommen. Mitte Jahr waren 11’206 Tiere gemeldet, wie das Bundesamt für Landwirtschaft gegenüber den CH-Media-Zeitungen angab.

Warum schafft sich jemand ein so grosses Tier an und schaut dann nicht richtig zu ihm? Der Grund dafür sei, dass der Esel komplett unterschätzt werde, gerade was seine sozialen Bedürfnisse betreffe, sagt Huber. Er steht neben dem dunkelbraunen Eddi mit der schneeweissen Nase. Bevor er ins Heim kam, sei Eddi von seiner Schwester getrennt worden und habe aus Trauer keine Nahrung mehr zu sich genommen. «Wir standen ihm Tag und Nacht zur Seite, bis er wieder mit Fressen begann.»